Hallo
Die Geschichte, die ich euch hier erzähle, beginnt und endet in Burra. Ach was, eigentlich hat sie vor ziemlich genau einem Jahr in Thailand begonnen. In Sukothai, um ganz präzis zu sein. Dort habe ich mir nämlich auf einem Nachtmarkt das perfekte Handtuch für Veloreisende erstanden. Perfekt deshalb, weil es enorm leicht ist, dazu saugfähig und schnell trocknend. Und erst noch aus angenehmer Baumwolle gefertigt, obwohl Kitty behauptet, es sei synthetisches Material. Ich will das nicht wissen. Für mich ist es hautfreundliche Biobaumwolle - jedenfalls fühlt es sich so an und ich liebe es. Perfekt aber auch deshalb, weil es genau die richtige Grösse hat, um es um meine Taille zu wickeln. So kann ich nach dem Duschen wie ein indischer Brahmane zur Rasur schreiten, was ich einfach super bequem finde. Dieses mintfarbene Stück Stoff ist eines der besten Utensilien, die ich bei mir habe. Ich möchte es nicht mehr missen. Und darum geht es hier. So komme ich wieder auf Burra zurück, dem kleinen Ort im ländlichen South Australia, wo Radfahrer wohl so selten auftauchen wie Ausserirdische an einer Schweizer Viehschau. An dem Tag, als wir nach Burra einfahren, sprudeln Wildbäche vom Himmel, es ist, als radeln wir in einem Wasserpark. Dieser Umstand alleine hätte gereicht, um ein Hotelzimmer dem Camping vorzuziehen. Doch unser Budget, das ohnehin hier im teuren Australien völlig überstrapaziert wird, drängt uns zum Zeltplatz. Dort werden wir dann Zeugen eines vermeintlichen Jahrhundertereignisses. Denn unter dem einzigen kleinen Unterstand, der sich auf dem Camping befindet, stehen an die vierzig junge Menschen in Radlerkleidung, ein Knäuel Lycra, so fehl am Platz wie Aliens auf einem Rodeo. Was um alles in der Welt haben die hier zu suchen? Wir erfahren, dass dies amerikanische Studenten sind, die sich auf einer geführten Radtour durch South Australia befinden und hier die Nacht verbringen. Man glaubt es nicht. Mindestens vierzig kleine Zelte stehen auf der spärlichen Rasenfläche in Reih und Glied, Zeltwand an Zeltwand, wie auf einem dieser Musikfestivals, wo Privatsphäre für mehrere Tage keine Existenzberechtigung hat und wo man sich nur mit viel Glück in sein eigenes Zelt legt. Für unser Zelt findet sich nicht ein grüner Fleck mehr. Doch wir sind darüber alles andere als unglücklich. Im Gegenteil: Was für eine gute Entschuldigung, halt doch ein Zimmer im Hotel zu nehmen.
Mit fünfundfünzig Dollar alles andere als budgetfreundlich, doch dafür trocken, mit reichlich Privatsphäre und, jetzt kommt‘s, mit einem grossen Badetuch. Und genau dieses fremde, frisch gewaschene Badetuch bringt mich irgendwie aus dem Konzept. Jedenfalls gerät meine Routine ins Schleudern wie eine Kugel im Flipperkasten und ich lasse mein über alles geliebte Handtuch unbenützt im Zimmer liegen, wo es aus mir unerklärlichen Gründen vergessen gerät.
Dies bemerke ich zu meiner Verzweiflung erst am folgenden Tag, als ich nach einem schweisstreibenden Tag auf dem Rad, hundert Kilometer entfernt von Burra, die Dusche aufsuche. An die fünf Mal durchwühle ich meine Radtaschen, doch das Tuch bleibt unauffindbar. Für mich stürzt ein ganzes Universum zusammen! Ich ärgere mich grün und blau. Welch Tödel ich doch bin!
Für Kitty sind die nächsten Tage nicht leicht. Immer wieder jammere ich ihr die Ohren voll über diesen eminenten Verlust. Für sie ist mein Geheule nicht nachvollziehbar. Es ist ein Stück Stoff, na und? Was soll das Theater, du wirst doch wieder ein Ersatz finden! Lass es los! Es ist es nicht wert!
So einfach ist das aber nicht für mich! Mit jedem Tag, den wir uns weiter von Burra entfernen, steigt meine Wehmut, bricht mein Herz in tausend Mosaikstücke. Klar treibe ich ein neues Tuch auf, denn schliesslich muss ich mich nach dem Duschen ja irgendwie abtrocknen, aber an die Qualitäten meines Thaituchs kommt es niemals ran. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, mir ein Auto oder ein Taxi zu besorgen, um nach Burra zurück zu fahren. Den verwerfe ich aber dann doch wieder - einfach der Vernunft willen.
Nach Tagen des Klagens kapituliere ich schliesslich und finde mich damit ab, dass mein Tuch nun von einem anderen Hotelgast als Fussmatte oder von der Putzfrau als Lappen benutzt wird. Hoffentlich lieben sie es wenigstens auch so sehr wie ich es tat.
Und dann ändert sich das Wetter.
Für die kommenden Tage wird ein Sturm aus Süden angekündigt, genau aus der Richtung, die wir eigentlich anpeilen wollten. Für uns ist die Entscheidung schnell gefällt. Wir fahren sicher nicht wieder gegen den Wind; nicht, wenn wir nicht unbedingt müssen. Darum beugen wir uns wie trinkende Giraffen über die Strassenkarte und studieren, wo uns der Wind denn hinschieben könnte.
Ich mach‘s kurz: Unsere neu beschlossene Tour bringt uns nach Clare, eine wunderschöne Weinregion, wo es sich lohnt, ein paar Tage zu verweilen. Und Clare liegt nur 45km westlich von Burra. Na, alles klar?
Ich kann der Versuchung einfach nicht widerstehen. Kitty macht sich in Clare einen gemütlichen Tag auf dem Camping und ich schwinge mich aufs Fahrrad und radle nach Burra. Alle paar Kilometer schicke ich ein Stossgebet gegen den Himmel, verspreche jedem und jeder, von nun an ein braves, gutbürgerliches Leben zu leben, wenn nur mein geliebtes Handtuch aus thailändischer Biobaumwolle wieder zurück in meinen Besitz kommt. Die Hoffnung in mir wächst wie ein mit Hefe angereicherter Brotteig. Dass ich mit Fliegen und Hitze zu kämpfen habe und mich vor lauter Euphorie gleich zwei Mal verfahre, spielt dabei keine Rolle. Vor meinen inneren Auge wedelt nur noch mein mintfarbenes Tuch und fächelt mir Frische zu.
Vor dem Hotel atme ich ein paar Mal tief durch, so als möchte ich einen neuen Weltrekord im Freitauchen aufstellen, dann schreite ich zur Anmeldung. Die Frau hinter dem Tresen erkennt mich wieder („na, immer noch am Radeln?“) und ich erkläre ihr den Grund, warum ich wieder hier bin. Oh, meint sie, von einem Handtuch wisse sie nichts, da müsste man schon die Putzfrau fragen, die sei aber nicht da und sie könne auch gar nicht sagen, wann sie komme. Sie wisse nur, dass sie Fundgegenstände zwei bis drei Tage aufbewahren und dann entsorgen, denn man kann schliesslich nicht alles hüten, wie ich mir sicher vorstellen könne. Doing! Meine Hoffnung bröckelt wie Sandstein. Es ist nun über eine Woche her, dass wir hier waren. Meine Enttäuschung muss sich offensichtlich über meinem Gesicht ausgerollt haben, wie ein fliegender Teppich, jedenfalls sagt die Frau zu mir, ich solle kurz warten, sie gehe mal nach hinten, um nachzuschauen, ob sie etwas finde.
Nach einigen Minuten, für einen ungeduldigen Menschen wie ich es bin sind es Stunden, kommt sie wieder zurück. Hinter ihr eine ältere Frau. Welch Wunder, es ist die Putzfrau! Ja, sagt diese, sie möge sich an einen kleinen Fetzen erinnern (sie nennt es nicht Handtuch, grr!), sie gehe mal nach hinten und schaue nach, aber versprechen könne sie nichts, denn in der Regel werden Fundsachen bla bla bla. Wieder vergehen Stunden. Vor mir türmt sich der Hügel aus Sand.
Was nun kommt, ist nicht leicht zu beschreiben. An Folgendes kann ich mich erinnern: Da wird eine Tür geöffnet und grelles Licht durchflutet den Raum. Im Türrahmen erscheint ein Engel, wohl die heilige Jungfrau Maria oder Mutter Teresa, das weiss ich nicht mehr so genau. Jedenfalls sind ihre Arme vor dem Bauch verschränkt und darin wiegt sie etwas, ein Bündel, ein mintfarbenes Packet aus thailändischer Biobaumwolle, frisch gewaschen.
Merci für Deine supertolle Geschichte! ;-) Weitere unvergessliche Geschichten wünscht,
AntwortenLöschenu.a. dein Squashpartner!
thats magic. gerade nach tagen auf dem rad. hey mich unt kitty alles gute weiterhin auf eurem trip durch die äussere welt. vergesst die innere nicht..... sie ist nur der spiegel der äusseren ;-))))
AntwortenLöschenWährend des Lesens deiner Geschichte Mich sind mir verschiedene Bilder in meinen Kopf gekommen; so quasi ein Film und deine Geschichte als Untertitel.... wann schreibst du das Buch mit deinem diesen Glücksmoment und ich zeichne dazu die Bilder??
AntwortenLöschenHerzliche Grüsse auch an Kitty!
Jaja lieber Mich
AntwortenLöschenIch kann mir deine Verzweiflung, dein nervöses hin und her, wie der Eisbär im Zürizoo genau vorstellen. So ähnlich wie damals als du auf dem Campingplatz dein Portemonnaie nicht mehr gefunden hast (naja zumindest bis es dann doch plötzlich auf deinem Sattel lag). Ich kann mir auch die Qualen von Kitty vorstellen, welche minütlich ja wenn nicht sekündlich von dir an diesen Verlust erinnert worden ist.
Und doch mag ich es dir gönnen, dass du dieses für dich so wertvolle Stück Stoff wiedergefunden hast (und erst noch von einer Heiligen überreicht). Mein Kommentar möchte ich mit einem Zitat aus dem Mahabharata (13.131.49)beenden: „Weder die Herkunft noch die Weihe und Gelehrsamkeit machen den Brahmanen aus, allein sein Lebenswandel ist der Grund.“
Mich löse dich von irdischen Besitztümer sonst bleibts beim Aussehen wie ein Brahmane.
Häbed Sorg euch zwei und allne thailändische Textilie...
Lucas
Häbbi burzeltag liebi Kitty ! beschti Xundheit und viel Sunne im Härze wünsch ig dir !
AntwortenLöschenhoi kitty,nachträglech no alles liebe und guete zu dim geburtstag,viel glück und gueti gsundheit! u vorallem gueti närve, wo du bruuchsch mit dim ma ;-)) i ha schön müesse lache u ha mir das grad alles chönne bildlech vor ouge vorstelle....so luschtig....ja michu i weiss ....für di nid luschtig...aber di ganzi sach zeigt doch wieder mal, es git keni zuefäll..wie ou immer, witerhin e gueti reis und im richtige momänt e sturmwarnig oder e rägefront wo öich i di richtigi richtig schickt.ganz e liebe gruess,evelyne und hubi
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