Hallo

Hallo
Radelnd die Welt erkunden

13. März 2010

Verlockend

...
Ich befinde mich mal wieder in einem Aufstieg. Es sind noch gut 60km bis "Thung Saliam", meinem Tagesziel, und ich weiss, dass dies definitiv die letzte grössere Hügelkette ist, die ich für einige Zeit bewältigen muss. 5km geht’s noch bergauf, danach werde ich runter in die Reisebene von Thailand gelangen.

Die Strasse ist ruhig. Kaum Verkehr. Nur das dröhnende Zirpen aus den Bäumen trübt die Stille. Es hört sich an, als stünde der Wald unter Starkstrom.
Es ist natürlich wieder einmal sehr heiss. Ich bin am Hecheln wie ein Hund, am Luftansaugen wie ein Ertrinkender. Der Schweiss rinnt mir über den Rücken hinunter in die Hose, wo er sich sammelt, vorne läuft er mir in die Augen. Meine Zunge klebt am Gaumen, als wäre sie dort angenagelt und mein Kopf fühlt sich an, als habe er einen Einsatz als Rotlicht auf einem Polizeiauto. Meter um Meter stemme ich mich die Steigung rauf.




Die kleinsten Gänge sind gefragt - fürs Rauffahren!


Plötzlich überholt mich ein Pickup*, hupt, um mich zu grüssen, fährt an mir vorbei, macht dann aber 200m weiter vorne einen Schwenker an den Strassenrand und hält an. Ein Ehepaar, beide um die fünfzig, steigt aus und grüsst mich mit einem Lächeln und einem „Hello – do you want lift?“ Dabei zeigen sie auf die leere Ladefläche ihres Wagens.

Da hält also jemand, weil sie Erbarmen mit mir haben und wollen mich von der Anstrengung erlösen! Anhalten. Absteigen. Aufladen. Einsteigen. Davonbrausen. Einfach so. So einfach! Welch tolles Angebot! Wie lieb von diesen Leuten! Wie verlockend!

Aber ich kann nicht! Ich will auch diesen letzten Anstieg selber bewältigen, ich will das Tagesziel aus eigener Kraft erreichen, ich will den Weg spüren, jede Unebenheit, den Wind, die Hitze. Irgendetwas in mir will, dass ich das durchziehe. Jenseits jeglicher Logik. Ich kann’s nicht erklären…

„No, thank you!” I like cycling! I like, what I’m doing!”, rufe ich den beiden zu und radle an ihnen vorbei. Dabei zweifle ich grad selber über meine Worte…

Als die beiden wieder an mir vorbeifahren, hupen sie erneut, schicken mir nochmals ein Lächeln zu und ihre nach oben gestreckter Daumen schwenken aus dem Fenster, wie Fahnen im Wind. Dann bin ich wieder allein.

Und ich denke für mich: „Hoffentlich bereust du das nicht!“

Fünf Minuten später überholt mich eine Schar lachender Schüler auf ihren Mopeds. Sie hupen ebenfalls, rufen mir ein „Hello“ zu und auch sie strecken ihre Daumen nach oben, als sie an mir vorbeiknattern. Sie verschwinden hinter der nächsten Biegung und ich bin wieder allein mit den sirrenden Bäumen.

Und ich denke für mich: „Nein, ich bereue es nicht…“

Der Rest ist schnell erzählt. Nach 5km bin ich tatsächlich oben und von da an fällt die Strasse leicht ab. Mehr und mehr wird der Wald von Reisfeldern verdrängt, vor mir öffnet sich die Weite der Thailändischen Ebene. Ein Genuss fürs Auge, ein Genuss zum Radeln. Weit und breit keine Siedlung in Sicht, nur Grün in den verschiedensten Facetten. Und gerade als sich bei mir der Hunger meldet, erscheint auf der rechen Seite ein sehr ansprechendes Restaurant, wo ich herrlich verköstigt werde.

Gut, konnte ich der Verlockung widerstehen…



Zurück in der Reisebene


Und dann noch dies:

Wenn ich nicht weiss, wo ich übernachten kann, dann halte ich gewöhnlich an einem der Polizei-Checkpoints, die hier in jeder Ortschaft zu finden sind. Mit aufeinandergelegten Händen, die ich an die Schläfe halte, zeige ich ihnen, was ich will. Bis jetzt habe ich so immer ein Bett für die Nacht gefunden. So auch heute. Ein Polizist nickt, steigt auf sein Motorrad und deutet mir an, ihm zu folgen. Knappe 4km weiter bin ich an meinem heutigen Schlafplatz, das hiesige Stundenhotel. Diese Etablissement sind in Thailand an einigen Orten anzutreffen, denn hier ist es Gang und Gäbe, eine „zweite Partnerschaft“ zu haben. Es gibt sogar eine offizielle Bezeichnung für diese Art von Beziehung. Und darauf haben sich eben einige „Hotels“ spezialisiert.
Am Zimmer gibt es absolut nichts auszusetzen. Sauber, Klimaanlage (super bei den gegenwärtigen Temperaturen), grosses Bett, 2 riesige Handtücher und ein schönes Bad. Dazu gibt es zwei Portionen Shampoo, Seife, 2 Zahnbürsten mit Zahnpasta, einen Kamm und 2 Kondome. Preislich zwar eher an der oberen Grenze, aber für eine Nacht absolut im Rahmen Und ich bin ja froh, dass ich überhaupt etwas zum Schlafen gefunden habe.
Überfordert war lediglich das ältere Ehepaar, das diese Anlage betreut. Einen Touristen hatten sie bis jetzt mit Sicherheit noch nie beherbergt. Es brauchte dann auch einen Moment, um ihnen klar zu machen, dass ich nicht nur für 3 Stunden bleiben will.

Die Zahnpasta habe ich mir dann in die Haare geschmiert, weil ich sie nicht als solche erkannt habe. Gewundert habe ich mich nur, dass es nicht geschäumt hat beim Einmassieren. Als ich dann mit Shampoo die Zähne putzen wollte, habe ich das Malheur gemerkt. Na ja, die Haare sind deswegen nicht weisser geworden.

Ich verbrachte eine ruhige Nacht, kaum „Verkehr“ in der Anlage.

Und die Kondome habe ich am nächsten Tag großzügigerweise zurückgelassen…




Mein "sexy" Zimmer




Hotel mit Privatsphäre





*ein Pickup ist ein Auto mit einer Ladefläche, ähnlich wie ein kleiner Lastwagen. Dieser Typ Auto ist in Thailand (und anderen Ländern) sehr beliebt.

1 Kommentar:

  1. Hoffen wir die Zahnpaste führt nicht zu Haarausfall...

    Gruzzli

    Lucas

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